Frachtschiffreisen
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Eine Kurzreise mit MS "HANNI" von Brunsbüttel nach Schweden und zurück

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19.08.2017 – 24.08.2017          Verlauf: Brunsbüttel - NOK – Södertälje – Karlshamn – Ahus – NOK – Brunsbüttel.

Das war mal wieder so eine Hauruck-Action: Telefonat mit Reederei Ohle am Dienstag: Kammer wird frei, Einstieg am Samstag darauf.
Ich hatte schon etwas länger eine Passage-Anfrage auf einem der 3 Ohle-Schiffe laufen, weil mir die Reise auf der DORNBUSCH  2016 so gut gefallen hat.
Mental war ich also vorbereitet.

Jetzt mussten nur noch ein paar persönliche Sachen erledigt werden:
Passkopie mailen, braucht die Security in der Schleuse für den ISPS-Zugang, Sparcard laden, damit kann man kostenfrei SEK (Schweden-Kronen) aus den Bankomaten ziehen, etwas Bargeld braucht man, sonst geht alles mit Creditcard. Zwieback kaufen, für evtl. Seekrankheit, noch etwas Guthaben auf die Prepaid-Card im Handy, das ich sonst so gut wie nie brauche und somit auch keine monatliche Flatrate habe. Aber für Landgänge sollte man Verbindung zum Schiff haben.

Ready to go!

Da Schiff und Route schon mehrfach beschrieben wurden, erzähle ich nur meine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen.

Voraussichtliche Zeit für Schleusung etwa 17:00 Uhr. Sehr angenehme Zeit für mich. Ich bin immer gern etwas vorher da, stelle das Gepäck beim Makler ab und sehe mir den Betrieb in der Schleuse an. Oder esse noch eine leckere Cassata in der italienischen Eisdiele davor.

In die Schleuse selbst kommt man erst rein, wenn der Liegeplatz feststeht.

Auch ist Begleitung durch Makler-Personal vorgeschrieben.

Als ich im Büro des Maklers auf das Einlaufen wartete, braute sich ein schweres Gewitter zusammen.

Und genau, als das Schiff kurz vor 18:00 Uhr festmachte, brach es los. Mit so dichtem Regen, dass die Schiffe in der Schleuse zeitweilig nicht mehr zu sehen waren.

Der Kapitän hat mir später erzählt, dass die Einfahrt kaum zu erkennen war.

Man kann aber nicht warten, bis alles vorbei ist. Wenn das Tor aufgeht, fahren die los. Vor der HANNI lag die FREJ.

Also die etwa 300 m vom Maklerbüro zum Schiff gerannt. Erst durch das blöde Drehkreuz in die Schleuse, das ist für Leute ohne Gepäck gedacht und konstruiert, und wird mit Gepäck immer zu einer „Schlangenmensch-Nummer“ nur weil die Wache die direkt daneben liegende Tür nicht öffnen darf. Anweisung von ganz oben. Trotz Video-Überwachung. Bescheuert! Dann Treppe runter, Treppe rauf bis zur Gangway der HANNI auf dem Achterdeck. Durch Knöchel tiefe Pfützen und wie durch eine Waschanlage.

Hier lernt man Fach-Englisch

An Bord halfen mir Chiefmate und ein Matrose beim Gepäck in die Kammer.

Dinnerzeit war schon vorbei, aber die philippinische Köchin servierte mir noch ein Essen. Einer der beiden Steurer, der Freizeit hatte, leistete mir dabei Gesellschaft.

Die wechseln sich alle 25 Kanalkilometer ab. Entspricht etwa 2 Stunden. Denen steht eine Kammer zu Verfügung zum Ausruhen oder Schlafen.

Der Lotse bekommt sein Essen auf die Brücke. Der hat ja auch beide Hände frei. Der Steurer immer eine am Joystick.

Dann habe ich mich in meiner Kammer auf dem B-Deck eingerichtet - das ist der „2.Stock“ - und erst mal die klatschnassen Klamotten gewechselt. Die Schuhe waren völlig aufgeweicht. Aber an Bord trägt man indoor sowieso nur Latschen. An Deck auf jeden Fall festes Schuhwerk. Es sei denn, man will nur mal kurz „vor die Tür“.

Ich habe mir noch ein paar Kleiderbügel besorgt, die Heizung in der Dusche voll aufgedreht und alles zum Trocknen aufgehängt.

Dann „Same procedure as every year“: Pass auf Brücke abgeben, allen Guten Tag sagen, Fragen beantworten und Kanalpassage genießen. Lange in einer Weiche gelegen. Noch vor dem Lotsenwechsel in Rüsterbergen lag ich in der Koje. Ich wurde plötzlich ziemlich  müde.

Zuerst erschienen mir die Fahrgeräusche in der ungewohnten Mannschaftskammer sehr laut. Ich war ja verwöhnt durch Eigner- und Offizierskammern. Die liegen auf höheren Decks und bieten mehr Platz. Und auch erheblich größere Kojen. Man liegt nicht so dicht an den Wänden, die ja auch immer so leicht vor sich hin vibrieren. War aber wohl nur Einbildung. Ich habe ganz prima geschlafen.

Die höher gelegene Kammern haben eindeutige Bezeichnungen über der Tür. Auf dem Mannschaftsdeck aber immer nur „1 Man“. Das verwirrt anfangs. Auch weil es mehr Kammern auf dem Deck gibt.

Aufgewacht bin ich erst wieder kurz vor Rügen. Genau richtig zum Frühstück.

Dann fing die Bordroutine an: Der Kapitän sorgte für einen Liegestuhl auf dem Brückendeck und ich ich hatte einen traumhaften Platz an der Sonne. Ganz für mich allein, keine weiteren Gäste an Bord. Für so eine „Privatveranda“ zahlt man auf einem Kreuzfahrer viel Geld.
Ich musste nur räumen, wenn die Crew mit Wasserschlauch und Schrubber anrückte, um „rein Schiff“ zu machen. Jeden Tag. Die HANNI blitzte und blinkte. Von der Maschine bis zum Peildeck. Genannt: Monkey Island. Warum, weiß ich auch nicht.

Bis Södertälje waren wir insgesamt etwa 50 Stunden unterwegs. Bei bestem Wetter.

Wenn man nach Norden fährt, kommt und scheint die Sonne aus Steuerbord. Und wenn man dann in einer Kammer auf Steuerbordseite wohnt und vergessen hat, das Rollo im Fenster zu schließen, wird es sehr früh sehr hell in der Kammer und man wacht zwangsläufig auf.

Dann gehe ich immer zuerst auf das Deck vor der Kammer und genieße die frische morgendliche Seeluft. Herrlich, kann ich Ihnen sagen. Ein paar sportliche Bewegungen können dabei auch nicht schaden.


Beim Frühstück kommen dann weitere Fragen: Gut geschlafen? Alles in Ordnung mit der Kammer? Der übliche small-talk. Man lernt den Rest der Besatzung kennen.

Der „Second“  - das ist der 2. Steuermann - machte dann mit mir die Sicherheits-Einweisung und ließ die sich quittieren. Eine Unterschrift genügte. Auf der CONMAR GULF waren es 16. Jeder Punkt einzeln abgezeichnet. Russisch eben...


An Bord ist es üblich, die Seeleute mit ihrer Funktion anzureden. In der englischen Bezeichnung. Dann muss man sich auch nicht so viele Namen merken. Der 1. Offizier ist dann der Chiefmate, der Chefingenieur der Chief. Die „Deckhands“, Mannschaften, nennt man beim Vornamen. Der Bootsman wird Bosun gerufen. Das ergibt sich meist abends beim gemeinsamen Feierabend-Bier in der Crew-Messe. Alles ganz locker..

In Södertälje war genug Zeit für einen Stadtbummel. Also Sicherheitsweste an, Helm auf und etwa 1 Km (gefühlt) zum Gate marschiert. Hinter uns hatte die FREJ festgemacht. Einen Besuch an Bord habe ich mir aber verkniffen. Irgend einen Bekannten trifft man immer, aber die liegt nur für kurze Zeit und alle sind beschäftigt.

Die Wache am Gate hielt eine sehr attraktive Lady, dem Aussehen nach aus Middle-East, die mir ein Taxi bestellte und Weste und Helm für mich aufbewahrte.

Der Taxifahrer ein Iraker. Was auch sonst?! Viele von denen fahren Bus oder Taxi. In Schweden habe ich mir angewöhnt, arabisch aussehende Leute nach dem Weg oder sonst was zu fragen. Die kennen sich aus, oder rufen einen an, der sich auskennt, sind freundlich und hilfsbereit.
Bei Einheimischen ist das nicht immer so.

Zurück bin ich mit dem Bus gefahren. Und dieses mal habe ich es richtig gemacht: Fahrkarte vorher gekauft. Auch auf einen Hinweis von arabischen Security-Leuten in dem Shopping-Center. Die gingen sogar mit, damit ich auch in den richtigen Laden gehe. Die Karte hat 1 Stunde Gültigkeit nach Entwertung und kostet 29,-SEK. Es gibt auch eine mit 24 Stunden Gültigkeitsdauer.

Für  Nachfolger: Es ist der Bus 754. Fährt etwa alle 10 Minuten. Es gibt so eine Art ZOB mit mehreren Haltestellen. Ausstieg bei den Scania-Werken. Fahrer sagt Bescheid. Dann nach links zum Sydhamn. Aufpassen: Auf der Fahrspur bleiben. Der Fussweg geht hinter dem ISPS-Zaun vorbei. Dann muss man wieder zurück, um in den Hafen zu kommen.

Von der Haltestelle  läuft man etwa 500 m (gefühlt) bis zum Gate, zieht die Weste wieder an, setzt den Helm wieder auf und marschiert zum Schiff. Einen Shuttle gibt es nicht.

Wir haben dann abends umgedreht und ein Lotse hat uns durch den wunderschönen Schärengarten bis Landsort gefahren. Das ist der Lotsen-Treffpunkt. Auch für Stockholm.

Das war wieder dieser „Wikinger“ den ich schon auf ALREK oder FREJ fotografiert habe. Damals hat der uns durch den Mälarensee nach Västeras kutschiert. Sein Zopf im Bart ging jetzt schon bis auf die Brust.

Dann konnten wir allein weiter, bis der Lotse vor Karlshamn übernommen hat.

Nachdem klar war, dass wir da erst am frühen Morgen wieder ablegen, habe ich mir im Stauerbüro eine Taxe in die City bestellt. Etwa 4 – 5 Km entfernt.
Leider schon etwas spät, alle Läden machten um 18Uhr dicht.

Für ein Eis und Stadtbummel hat es gereicht. Es ist ein kleiner Ort. Mit dem Fahrer, dieses mal ein Schwede, habe ich Abholung vereinbart und fuhr dann mit seinem Cousin zurück. Ein Familienunternehmen.

Mir immer ein Rätsel: Hinfahrt 141 SEK, Rückfahrt 170 SEK. Beide Fahrten mit Mastercard bezahlt.
Das Eis hat übrigens 25,- SEK pro Kugel gekostet, etwa 2,50 €. Für 3 Kugeln gab es Rabatt: 65,-SEK. Allerdings war die Eismasse derart kompakt, dass gefühlte 5 Kugeln daraus wurden. Das hat den Preis wieder etwas relativiert.


Von Karlshamn ging es dann nach Ahus. Auf den Spaziergang entlang der hübschen Marina und den Besuch des Eisdielenschiffes hatte ich mich schon gefreut.

Aber die Liegezeit war so kurz bemessen, dass ich besser beim Schiff geblieben bin.

Da die Schleusen in Kiel wieder uneingeschränkt zu nutzen sind, waren wir schon mittags am 24.08. wieder in Brunsbüttel.
Dieses mal hatte ich einen kürzeren Weg zu meinem Auto. Nur über 2 Schleusentore zum Parkplatz.

Die Besatzung der HANNI bestand aus 11 Leuten. Kapitän und Chiefmate Deutsche, Chief-Eng. Iraker, sprach Deutsch, 2.Ing. Russe mit einem weiten Weg nach Hause: Wladiwostok an der russisch-japanischen Grenze. 2.Mate, Köchin, Deckscrew Philippinos.

Kleine Geschichte am Rande: Gleich zu Anfang der Reise fiel meine Digital-Kamera auf den Boden und reagierte darauf auf nichts mehr. Aber das Display blieb heil.

Ich habe so eine kompakte, kleine für die Hosentasche. Ich mag diese dicken Dinger vor der Brust nicht mit mir rumschleppen.


Da Reparaturen außerhalb der Gewährleistung meist teurer sind als ein Neukauf, war ich drauf und dran, die Speicherkarte zu entnehmen und den Rest „über die Kante“ zu schmeißen.

Der „Erste“, ein Hobby-Electroniker, meinte, er könnte sich die vor dem Wurf  ja mal ansehen. Der hatte auch entsprechendes Werkzeug dabei.

Abends hatte ich die voll funktionsfähig wieder zurück und freute mich wie der sprichwörtliche Schneekönig.

Der Retter meiner Kamera. Danke, danke

Der Chiefmate hatte die Verantwortung für die Beladung. Und damit etliche Schwierigkeiten. Und das hatte einen sehr bedenklichen Grund: Der Charterer in Abu Dhabi war mit Maersk verbandelt, dem z.Zt. größten See-Logistiker der Welt. Und Maersk war kürzlich weltweit gehackt worden. Das hatte Folgen.

Einige Container waren zwar an Bord, aber nicht da, wo sie eigentlich sein sollten.
Das führte dann zu Suchaktionen in den Ladeplänen, die entsprechend geändert werden mussten, und an Bord durch den Bootsmann.


Der Chiefmate hatte die Eigenart, vor dem Computer leise vor sich hin zu sprechen, wenn er mit Stauplänen beschäftigt war.

Als ich mich dazu gesellte, bezog er mich in seine Überlegungen mit ein. Es ging um Gefahrgut, das nicht irgendwo stehen darf, nur an vorbestimmtem Plätzen, und um die Biegemomente (Bending) des Schiffes. Zeigte mir Kurven und Grafiken.


Seit Juli 2016  verlangt eine internationale Vorschrift eine genaue Gewichtsangabe für jeden Container. Erst damit kann die tatsächliche Belastungskurve des Schiffes erstellt werden. Container ohne VGM (Verified-Gross-Mass) werden nicht mehr mitgenommen.

Das war schon sehr beeindruckend, was da so alles berücksichtigt werden muss.

Aus der Luftfahrt war mir „Weight & Balance“ bei Flugzeugen bekannt. Sonst hätte ich wohl nur „Bahnhof“ verstanden.

Als einmal das Schiff beim Beladen zu sehr überholte und aus der Schräglage nicht von selbst wieder hoch kam, hat er mir den Ausgleich mit Ballastwasser gezeigt und erklärt. Ich fand das alles hochinteressant.

Der Kapitän kam ursprünglich von der Fischerei, als Cuxhaven mit seiner Fangflotte noch Weltmarktführer war und hatte eine entsprechende Präsenz und Körpersprache. Ein bulliger, freundlicher Typ, der gern und oft schallend lachte. Sehr sympathisch. Wie die ganze Crew. Fuhr schon viele Jahre für Ohle.

Es war auch ein Genuss, wieder Deutsch zu sprechen und zu hören. Bei internationaler Besatzung gilt Englisch als offizielle Bordsprache.

Was aber tatsächlich an Bord gesprochen wird, hat mit „normalem“ Englisch nicht mehr viel zu tun. Da hat sich eine ganz eigene Sprache entwickelt. So eine Art lingua franca aus Resten von Schul-Englisch, Philippin-Pidgin, und in der Seefahrt üblichen und gebräuchlichen Redewendungen, Bezeichnungen und Befehlen.

Alle Beteiligten wissen, was gemeint ist. Der Außenseiter denkt nur: Häää???

Fazit: Eine erholsame Reise auf einem gepflegten Schiff bei bestem Wetter mit netten Leuten, interessanten Gesprächen, neuen Erkenntnissen und Stadtbesuchen.

Sehr zu empfehlen. Zumal die originale Tour auch Bremerhaven und Hamburg einschließt.

Happy sailings
Ralf

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