Frachtschiffreise mit der MS FREDERIK August 2017
Eine Frachtschiffreise war seit Jugendjahren mein Traum. Jetzt, nach Eintritt in den Ruhestand, konnte ich erstmals an die Realisierung denken. Dabei waren zwei Fragen offen: mit welchen Gegebenheiten muss ich ganz konkret rechnen?
Und dann: wird es mir auch so gefallen wie immer erträumt?
Zum ersten Punkt: Obwohl reiseerfahren, waren wir doch absolute Anfänger in Sachen Frachtschiffreisen. Es hat sich deshalb gelohnt, noch mehr als bei anderen Reisen, vorher gründliche Informationen einzuholen. Als herausragende Quelle stellte sich hierbei meine-frachtschiffreisen.de heraus. Über die umfangreichen und gut zusammengestellten Fakten hinaus sind die zahlreichen Reiseberichte informativ, gerade weil sie subjektiv sind. Die Seite hat nicht unerheblich zum Erfolg unserer Reise beigetragen, und wir können sie nur weiter empfehlen.
Zum zweiten: Wie es einem gefällt, muss man natürlich persönlich ausprobieren. Der gute Rat war, erstmal klein anzufangen, sprich mit einer kurzen Fahrt. Hierbei hat auch mein Mann, dessen Lebenstraum eine Frachtschiffreise nicht unbedingt war, sofort mitgemacht.
Hier das Ergebnis unserer „Probefahrt“: ich war total begeistert! Trotzdem habe ich mich bewusst um eine realistische Darstellung ohne rosarote Brille bemüht.
Auf meine-frachtschiffreisen.de habe ich den Link zur Agentur Frachtschiffreisen Pfeiffer gefunden. Wir können die kompetente und persönliche Betreuung von der ersten telefonischen Beratung bis zur finanziellen Schlussabwicklung nicht genug loben! Frau Falkenberg war in mehreren längeren Telefongesprächen behilflich, die für uns passende Reise auszusuchen: Polen – Baltikum mit der MS FREDERIK. Dafür nochmals ausdrücklichen Dank. Überdies hatten wir während der ganzen Reise das unschätzbare Gefühl, in guten Händen zu sein.
Alles, was wir gelesen und erwartet hatten, traf (fast) genau so zu.
Die MS FREDERIK ist ein beeindruckend großes, schönes, sauberes Schiff.
Unsere Kammer war riesengroß mit separatem Wohnzimmer und recht gemütlich, besonders haben wir den Ausblick nach vorne, hinten und zur Seite genossen (3 ***)! Das Bett war für zwei ältere Menschen echt schmal (ok). Dusche/WC waren buchstäblich all-in-one (ok).
Ganz viel Platz in Schränken, Schubladen etc. Großer Fernseher, den wir nicht ans Laufen gekriegt haben (egal). Außer in Landnähe, was immer wieder mal vorkam, kein Internet (ok). Brauchbarer Kühlschrank für Bier, das vom Kapitän kartonweise (kleinste Einheit 24 Fl.) verabreicht wurde.
Unsere Mitreisenden, ein sehr nettes norwegisches Ehepaar, mit dem wir uns auf Anhieb gut verstanden (auch Frachtschiff-Anfänger), waren freundlich, hielten sich aber angenehm zurück; außerhalb der Mahlzeiten haben wir uns nur gelegentlich unterhalten (sehr ok! – mein heimlicher Alptraum waren Leute, die am ersten Abend Brüderschaft trinken und dann die ganze Zeit mit uns verbringen wollen ...).
Das Essen war gut. Einfache Küche, aber schmackhaft (auf Wunsch der Offiziere „russian food“, wie der Koch uns erläuterte), abwechslungsreich und so reichlich, wie wir es nicht entfernt gebraucht hätten (sehr ok).
Mit der Besatzung hatten wir wenig Kontakt (ok); wir erlebten recht beeindruckt, wie sie unentwegt arbeiteten, sich nie eine volle halbe Stunde Zeit für die Mahlzeiten nehmen konnten, wobei sie oft noch abgerufen wurden. Wir waren deshalb nicht gekränkt, dass sie sichtlich keine Zeit für uns hatten. Die ukrainischen Offiziere waren nicht sehr gesprächig (wohl kulturell bedingt - auch untereinander nicht!); der russische Kapitän nahm sich einmal nach dem Frühstück eine Stunde Zeit für uns und erklärte sehr nett alles was mit dem Schiff zusammenhing, gab auch Ausflugstipps für Landgänge in Gdingen und Klaipeda. Mit dem netten jungen philippinischen Koch haben wir ab und zu ein Schwätzchen gehalten.
Von der eigentlichen Seefahrerei haben wir weniger mitgekriegt als erwartet. Der Aufenthalt auf der Brücke war für Passagiere nur eingeschränkt möglich. Das hatten wir schon vor Beginn der Fahrt mitbekommen, als wir noch einmal auf dieser Seite nach der FREDERIK gestöbert hatten. Der Bericht von Herrn Klingen über „unser“ Schiff („auf 10 Reisen noch nicht erlebt ...“, „eine einzige Enttäuschung ...“) hatte uns schon ein wenig beklommen gemacht. Da wir gar nicht erwartet hatten, ständig auf die Brücke zu dürfen, hielt sich unsere Enttäuschung in Grenzen. Zumal wir uns immer auf dem Brückendeck, neben oder hinter der Brücke aufhalten und so alle spannenden Manöver im Hafen, in den Schleusen etc. beobachten konnten.
Ein bisschen enttäuscht waren wir von der „Führung“ im Maschinenraum, auf die sich mein Mann besonders gefreut hatte. Der sehr nette Dritte Offizier Rana Archimedes teilte vor dem Eintreten Gehörschutzkapseln aus – die waren auch dringend nötig wegen des Höllenlärms drinnen, wohlgemerkt während die Maschinen im Leerlauf liefen, bevor die Fahrt überhaupt losging. (Während der Fahrt wäre es zu laut, meinte er ...) Fragen oder Antworten waren so nicht möglich, so dass sich eine nähere Besichtigung erübrigte. Das kann man aber wohl keinem vorwerfen. (Wir haben uns gefragt, wie sich andere Reisende, die begeistert über den Besuch im Maschinenraum berichten, verständigt haben mögen?)
Dass ein Frachtschiff ein Arbeitsschiff ist, war uns bewusst. Dadurch ist selbstverständlich auch die Bewegungsfreiheit der Passagiere eingeschränkt (ok, viel zu gefährlich.) Abgesehen von der Ladetätigkeit und den im Hafen notwendigen Arbeiten wird auch auf See unentwegt angestrichen, vor allem auf dem Main Deck gehämmert, geflext, geschweißt. (laut, ok.)
Man befindet sich zudem die ganze Zeit in einer Abgaswolke – am ersten Tag hatte ich den irritierenden Eindruck, es würde mit altem Fritierfett gefahren. Den Geruch nimmt man naturgemäß nach kürzester Zeit nicht mehr wahr (ok), wird aber daran erinnert, wenn man zu Hause seine Kleider auspackt: alles riecht zart nach Frittenbude ...
Richtig Ruhe ist natürlich nie und nirgends, der Motor läuft unentwegt, beim Anlegen und vor Schleusen erzeugt die Schraube soviel Lärm und vor allem Vibrationen, dass man davon durchaus nachts aufgeweckt wird (ok). Außerdem machte das Belüftungssystem dauerhaft und erheblichen Krach.
Dabei findet sich aber immer ein relativ ruhiges Plätzchen, wo man sich mit oder ohne Sonne/Wind niederlassen und aufs Meer gucken kann (sehr ok!). Angenehm überrascht waren wir von einem recht großen Sonnendeck, auf das man sich sogar gepolsterte Klappsessel rausholen konnte (super ok!).
Von der Vorstellung, mich tagelang dem Blick aufs Meer und/oder meiner Lektüre widmen zu können, musste ich mich jedenfalls verabschieden (hm). Es war einfach dauernd was los: Hafeneinfahrt, Anlegen, Ablegen, Schleusen, Lotse wird per Schiff an Bord gebracht, im Hafen gibt’s auch so viel zu sehen, und dann schon wieder die nächste Mahlzeit ... Mit anderen Worten: es war irre interessant für uns.
Der eindrücklich wiederholte Hinweis: Flexibel sein, was die Ziele und die Liegezeiten angeht! In Gdingen war die Ankunft um 06:00 und die Abreise für 21:00 vorgesehen. Nachdem die FREDERIK um 06:15 angelegt hatte, informiert mich der Zweite Offizier, dass wir an Land gehen könnten, um 18:00 müssten wir zurück sein. Super! - Nach dem Frühstück, gegen 09.00 kommt allerdings der freundliche Dritte mit einem Update: Departure ist jetzt 14:30, back at noon ... „maybe even earlier“, aber das wäre no problem, er hat ja unsere Handy-Nr. und kann uns anrufen. Das war uns dann doch zu heikel: auf Abruf in einer polnischen Stadt, und dann ggf. auf die Schnelle ein Taxi suchen ... Wir hatten einen schönen Tag auf dem Sonnendeck (ok)! – In Klaipeda hat es dann prima geklappt.
Auch zeitlich muss man einfach flexibel sein. Das durften wir schon bei der Abreise praktisch umsetzen. Die FREDERIK sollte planmäßig Dienstag abfahren. Am Freitag vorher kam die Bestätigung per Email: bitte Dienstag bis mittags an Bord gehen. – Wir waren bereits Sonntagmittag in Hamburg im Hotel, gerade eingecheckt: neue Email, Abfahrt voraussichtlich Donnerstag 15:00. Mit dem Hotel konnten wir eine Verlängerungsoption bis Donnerstag vereinbaren. Sehr wohltuend war, dass Frau Falkenberg sich auch telefonisch meldete und an den folgenden Tagen Kontakt hielt und den jeweils aktuellen Stand durchgab, einschließlich des Angebots bereits am Mittwoch an Bord zu gehen (dann hätten wir eine Hotelübernachtung gespart). So war es ok für uns. (Das ist aber definitiv nichts für Leute, die ihre knappen Urlaubstage penibel einteilen müssen.)
Sehr, sehr dankbar waren wir dann am Donnerstag, als es Schwierigkeiten am Gate des Burchardkai gab: es lag keine Anmeldung von der FREDERIK vor! Anruf bei Agentur Pfeiffer, Frau Falkenberg: „Ich kümmere mich darum. Das kriegen wir hin.“ Also waren wir völlig unaufgeregt. (Wenn Frau Falkenberg sich kümmert ...) Im Gegensatz zu dem danach eintreffenden norwegischen Ehepaar, unseren Mitreisenden, die vergeblich versuchten, ihre norwegische Agentur zu erreichen. – Nach 20 Minuten wurde der Gate-Angestellte nervös, er hätte immer noch keine Email! Neuer Anruf bei Fr. Falkenberg; diesmal war Frau Pfeiffer am Apparat, die schlug vor, ob nicht die Agentur die Anmeldung mailen könnte. So geschah es nach Absprache mit dem Gatemann, und dann konnten wir zügig vom Shuttle zur FREDERIK befördert werden. In unserer Kammer angekommen, wollte ich gerade eine Email mit der Erfolgsmeldung abschicken, als Frau Falkenberg schon anrief und sich erkundigte, ob alles geklappt hätte! Was unser Rundum-sorglos-Gefühl noch einmal bestärkte, vielen Dank noch mal dafür.
Trotz der 2 Tage verspäteten Abfahrt kamen wir planmäßig am folgenden Dienstag wieder in Hamburg an, waren also 2 Tage weniger an Bord - und ich wäre so gern noch viel länger geblieben ... (Hierzu muss ich noch anmerken, dass auf meine ordnungsgemäße Meldung an die Agentur „wir sind wieder da“ hin umgehend der Betrag für 2 Nächte erstattet wurde, womit ich nicht unbedingt gerechnet hatte. Super, Danke.)
Die größte Schwierigkeit der ganzen Reise traf uns völlig unerwartet: der Abtransport vom Altenwerder Kai (CTA). Die Busverbindung zum Burchardkai hatte ich vorher schon gecheckt: ganz schlecht. Wir hatten aber nicht damit gerechnet, dass es unmöglich war ein Taxi zu bestellen. Auskunft bei mehreren Unternehmen: frühestens in einer Stunde, aber sie könnten nichts versprechen.
Nach einigem Hin und Her machten wir uns zu Fuß samt Gepäck auf den Weg, den wir uns von GoogleMaps eingeprägt hatten (natürlich waren inzwischen die Akkus leer). Letztlich wurden wir am Rand einer Schnellstraße von einem herzensguten Autofahrer aufgelesen, der uns flott zum Parkplatz brachte. Alles wird gut, und das kann einem in jedem Land der Welt passieren, auch ohne Schiffsreise.
Was ist nun aus meinem Traum geworden? Ich war absolut und uneingeschränkt begeistert! Es war ein fantastisches Erlebnis, das meine Erwartungen weit übertroffen hat. Die Begleiterscheinungen fallen da überhaupt nicht ins Gewicht.
Das gilt so allerdings nur für mich. Mein Mann fand die Reise an sich auch toll. Ihn haben aber die Abgasbelästigung und der permanente Lärm (der Belüftungsanlage, nicht der Maschinen!) so sehr gestört, dass er das nicht noch einmal in Kauf nehmen möchte.
Der einzige große Mangel dieser Reise: viel zu kurz ...
Da hilft nur eins: die nächste Frachtschiffreise, natürlich viel länger und viel weiter! Auch wenn mein Mann mich nicht begleiten will, kann er meine Begeisterung nachvollziehen und wird mich dabei unterstützen, z.B. bei An- und Abreise. Ich bin schon am Planen!
Annette Enzmann